SYNOPSEN
FALL ALTHUSSER, Aporie
6 Männer, 3 Frauen, 2 Jungen [nur Intermezzo],
1 Puppe oder Kleindarsteller, verschiedene Stimmen – Bühnenbild variabel
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Im Zentrum stehen drei miteinander befreundete, zusammen arbeitende Linksintellektuelle in Frankreich. Nicos Poulantzas nahm sich, nach einem vergeblichen Versuch, 1979 das Leben. Ein Jahr später erwürgte Louis Althusser, in der gemeinsamen Wohnung, seine Ehefrau Hélène, in einem später anerkannten Fall von Amnesie. 1983 fand Michel Pêcheux den Freitod.

FALL ALTHUSSER umkreist die Geschichte dieser Theoretiker, die ihre Grenzen nach 'innen' durchbrechen. Sie werden eingeholt von der abwesenden Ursache einer Stagnation, nicht nur der Französischen Kommunistischen Partei.

Im Mittelpunkt steht Louis Althusser, der sich einen orthodoxen Anstrich gab [keine Häresie ohne heiligen Text], um die Fehlentwicklungen der kommunistischen Dogmatik zu bekämpfen. Er vollzieht einen Einschnitt, im Kampf mit der Großen Erzählung des geschichtsphilosophischen Fortschrittsglaubens, um, vorstoßend zu den Lücken, in der Verwerfung der Tabus, wie einst Machiavelli, Spinoza, Nietzsche oder Freud, zu erneuern. Doch die Rekonstruktion eines authentischen Marx gerät zu einer Dekonstruktion. Der “Bruch”, den Althusser im Marxschen Werk aufspürt, reinkarniert sich in Althussers persönlichen Leben. Die Konflikte verdichten sich in Überdeterminationen. Überbestimmtheit wird zum Wesen für die Unbestimmtheit des Ausgangs aller Widersprüche. Diese Geschichte hat kein Zentrum: sie erzählt von einer Verschiebung, berichtet von einem Imaginären, der sich als Louis Althusser konstituiert hat, um philosophische Texte zu produzieren.

Hélène Althusser, selbst traumatisiert, kämpft einerseits für eine elementare Lebens- und Sinnperspektive, die Teil der weiblichen Seite ist, welche schon Marx, wie auch Louis Althusser, verdrängte, in den jeweiligen Großkopftheorien. Hélène ist andererseits verfangen in pedantischen Ordnungszwängen und einer unbewußten Todessehnsucht, die sich unterschwellig appellierend an den Ehemann wendet.

Die realitätsmächtigen Effekte des Realen organisieren so das Scheitern jenes aufklärerischen Abenteuers im Unerträglichen. Determinismus, Bewegung und Gegenbewegung überschwemmen unvorhersehbar die Denk- und Lebensstrukturen. Die aufs Entziffern gedrillten Männer versuchen eine politische Progression wiederzubeleben, eingeschlossen im eigenen Milieu, gleich Schachspielern, die jeden gedanklichen Gegenzug antizipieren wollen. Sie verstricken sich in einem diskursiven Archipel, in dem alles wissenschaftlich kontaminiert ist, bis sie dem Dilemma des Subjekts in der Kausalität, der Logik der Endlichkeit, als einer Erfahrung des Unmöglichen, erliegen. Das sind schizophrene Situationen, die zum Debakel führen müssen, denn sie kennen keinen Rückweg. Es ist die “Arbeit des Negativen” [Hegel]. Sie gerinnt, in diesem Theaterstück, zur Personifizierung des Scheiterns des marxistischen Projekts, zehn Jahre bevor die Berliner Mauer fiel.
 
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